02.09.2014

Von der trockenen Hühnersuppe oder: wie das Huhn in den Beutel kommt

Wer zu den Zeiten des französischen Meisterkochs Auguste Escoffier eine Geflügelbrühe (Synonym: klare Geflügelsuppe) zubereiten wollte, brauchte vor allen Dingen eines: Zeit. In seinem Kochkunstführer von 1903 erläutert Escoffier die Zubereitung einer Geflügelbrühe durch Auskochen von Hühnerfleisch sowie von Hühnerkarkassen, also der Knochengerüste, unter Zugabe sogenannter „Aromaten“ (Mohrrüben und Lauch). Nach Zugabe von Eiweiß als Klärmittel und einer Nettokochzeit von rund 1 ½ Stunden erhielt man (nach dem Entfernen der festen Bestandteile) eine klare Geflügelbrühe.

So romantisch Escoffiers Rezeptur anmuten mag, bleibt festzustellen, dass eine Geflügelbrühe auch schon vor 100 Jahren im Wesentlichen ein heißes Gericht mit Auszügen (Extrakten) aus Geflügelbestandteilen und Gemüse war und der möglichst restlosen Verwertung des Suppenhuhns diente: das Fleisch konnte für Frikassee verwendet werden und aus der Brühe wurde eine Vorsuppe, dann logischerweise ohne Fleisch.

Für den Fall, dass es mal etwas schneller gehen muss, können Verbraucher heute auf Convenience-Produkte wie Trockensuppen zurückgreifen. Handelsübliche trockene Hühnersuppen werden nicht durch Auskochen von Hühnerbestandteilen und anschließendem Trocknen hergestellt, sondern durch das Mischen der üblichen Zutaten wie Hühnerfett als Geschmacksträger und Extrakten oder Aromen. Je nach Art der Suppe kann diese eine Einlage (z.B. Nudeln) oder Gemüse enthalten. Eine Fleischeinlage kann nur dann erwartet werden, wenn darauf ausdrücklich, also durch Worte oder den Suppenspiegel, hingewiesen wird.

Trotzdem gibt es immer noch Missverständnisse im Zusammenhang mit der Zusammensetzung trockener Hühnersuppen. So wird vereinzelt moniert, dass diese Suppen kein Hühnerfleisch, sondern „nur“ Hühnerfett enthielten. Dabei wird leider verkannt, dass auch eine nach klassischer Rezeptur hergestellte klare Hühnersuppe oder Hühnerbrühe kein Hühnerfleisch enthält, sondern lediglich dessen aromatische Bestandteile – hier reichen schon kleine Mengen aus. Mindestmengen sind daher auch nicht vorgeschrieben; erwartet werden darf aber die Zugabe der handelsüblichen und sensorisch erforderlichen Menge –alles andere entscheidet der persönliche Geschmack.

Wie immer beim Einkauf von Lebensmitteln gilt: Wer die ihm angebotenen Informationen zur Kenntnis nimmt, kann von der Zusammensetzung eines Produkts nicht enttäuscht werden. Im Fall der klaren Hühnersuppe hilft manchmal auch ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Kochkunst.

2. September 2014